Auf Herz und Nieren| 29.03.2019

Rezidivierende Harnweginfekte

ANTIBIOTIKA, DIE WUNDERWAFFEN?

Brennen, Schmerzen sowie erhöhte Häufigkeit beim Wasserlösen werden oft durch einen Harnwegsinfekt (HWI) hervorgerufen. Im ersten Moment scheint die Einnahme eines Antibiotikums sinnvoll – doch ist es das wirklich? "Achtung!", warnt der Urologe.

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von PD Dr. med. Alexander Müller
und Med. pract. Sharon Waisbrod

"Antibiotikaresistenz ist eine ernsthafte Bedrohung, welche nicht länger einer Vorhersage der Zukunft entspricht, sondern die ganz real im Hier und Jetzt existiert und jede Region weltweit betrifft und jeden, jeden Alters und in jedem Land möglicherweise betreffen kann." (WHO 2014)

Antibiotika als Wunderwaffen der Medizin droht der Wirkungs-verlust!

Antibiotika gehören seit knapp hundert Jahren zu den wichtigsten Meilenstei-nen der modernen Medizin. Keine an-dere Medikamentengruppe hatte bis-lang einen so positiven Effekt auf die Mortalitätsraten. Heute werden mehr als 25 % aller verab-reichten Antibiotika aufgrund von vermeintlichen Harnwegsinfekten ein-genommen. Leider kommt es aufgrund der zu häufigen, zu langen und oft falschen Anwendung von Antibiotika in der Tierzucht und Humanmedizin zu immer stärker steigenden Resistenz-raten (Gewöhnung und Wirkverlust). Im Jahr 2018 wurden alleine in Europa mehr als 33’000 Todesfälle von multi-resistenten Bakterien verursacht. Infol-ge der Bedrohung unseres Gesundheits-systems durch Infektionen auf grund antibiotikaresistenter Keime besteht dringender Handlungsbedarf.

Ein häufiger Fehler besteht bereits darin, Bakterien im Urin, welche aktuell keine Symptome verursachen, antibio-tisch zu behandeln. Eine Ausnahme davon bilden Frauen während Schwan-gerschaften. Neuste Daten belegen, dass zudem immer häufiger "Kollateral-schäden" auftreten: Der Einfluss von Antibiotika auf unsere "guten Bakterien" (z.B. der natürlichen Darmflora) kann möglicherweise schädigende Auswirkungen auf unseren Körper haben. Daher ist es äusserst wichtig, Antibio tika mit Bedacht und nur gezielt einzu-setzen. Darüber hinaus sind alternative Therapiemöglichkeiten aus zu schöpfen, um den Betroffenen zu helfen und gleichzeitig den Einsatz von Antibio-tika zu minimieren.

Was kann gegen wiederkehrende Harnwegsinfekte getan werden?

Jede zweite Frau ist in ihrem Leben von Harnwegsinfekten betroffen. Ein Viertel davon wird in einem Zeit- raum von sechs bis zwölf Monaten unter wiederholten Infektepisoden des Harntraktes leiden. Die erste Empfeh-lung ist das Steigern der Trinkmenge um ca. 1,5 Liter pro Tag, zusätzlich zur üblichen Trinkmenge. Durch die da-durch gesteigerte Urinproduktion werden Bakterien stärker ausgespült und wird deren potentielle Verweildauer im Harntrakt reduziert. Studien belegen, dass allein durch die Erhöhung der Trinkmenge um 1,5 Liter pro Tag rund 50 % weniger wiederkehrende Harn-wegsinfekte auftreten.

Ein weiterer wichtiger Ansatz ist gute Hygiene im Intimbereich. Hierbei ist zu beachten, dass häufig vor allem junge Frauen eine übertriebene Hygiene betreiben. Der gute Wille ist an dieser Stelle leider kontraproduktiv, da auch die «guten Bakterien», welche in der Abwehr gegen Infekte unerlässlich sind, durch die übertriebene Hygiene verdrängt werden und somit den infektverursachenden Bakterien den Weg bahnen.

Ausserdem kann die Art der Verhütung bei wiederkehrenden Harnwegs infekten eine Rolle spielen. Vor allem der Wirkstoff Nonoxinol 9, welcher als spermienabtötende Substanz in Gleitmitteln oder als Kondombeschichtung eingesetzt wird, scheint problematisch: Daher sollte auf die Verwendung von Nonoxinol-9-freien Produkten geachtet werden. Prophylaktisch kann ein zeitnahes Urinlösen nach dem Geschlechts verkehr vorteilhaft sein.

Bei Frauen nach den Wechseljahren kann es aufgrund von hormonellen Umstellungen zu einer Veränderung und verringerten Widerstandsfähigkeit der vaginalen Schleimhaut kommen. Frauen, welche eine störende Scheidentrockenheit empfinden, ist zu empfeh-len, ärztlichen Rat einzuholen: Eine lokale Behandlung mit östrogenhaltigen Salben oder Scheidenzäpfchen kann zu einer verringerten Infektanfällig keit beitragen.

Bei den ersten Anzeichen eines Harnwegsinfektes kann auch initial mit der Einnahme von antientzündlichen und schmerzlindernden Medikamenten wie Ibuprofen oder Diclofenac begonnen werden. Studien belegen, dass diese Medikamente bei einfacher Harnwegsinfekten ähnliche Ansprechratenaufweisen wie die Gabe von Antibiotika. Allenfalls kann also auf eine Antibiotika-Gabe verzichtet werden. Sollte es dennoch zu einer antibiotischen Behandlung kommen, ist die Wahl einer Substanz mit guter Effektivität und geringem "Kollateralschaden" entscheidend. Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten sollten Medikamente wie Fosfomycin oder Nitrofurantoin eingesetzt werden. Therapien insbesondere mit Chinolonen (z.B. Ciprofloxacine) oder orale Cephalosporinen wie z.B. Zinat™ oder Podomexef™ sollten möglichst vermieden werden.

Wann sind weitere Abklärungen notwendig?

Grundsätzlich sollte vor jeder Antibiotika- Gabe eine Urinuntersuchung vorgenommen werden. Dabei ist auf eine möglichst sterile Gewinnung der Urinprobe zu achten. Weiterführende Abklärungen werden empfohlen, falls die erwähnten Massnahmen nicht ansprechen oder zusätzliche Risikofaktoren (z.B. Steine des Harntraktes, anatomische Anomalien, neurologische Erkrankungen, Diabetes, chronische Erkrankungen, Immunsuppression, Prostatavergrösserung etc.) vorhanden sind. Sollten wiederholte Einsätze von resistenzgerechten Antibiotika nicht zur Verringerung der Infektepisoden (weniger als vier pro Jahr) führen und Fieberepisoden oder Blutbeimengungen im Urin auftreten, sind Abklärungen durch spezialisierte Fachärzte zu empfehlen.

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