Im Blickpunkt| 05.03.2018

Zukunft Spital Limmattal

CHANGE WE CAN!

Eine der Hinterlassenschaften des Ex-US-Präsidenten Obama ist der Aufruf: "Yes we can!" Er sollte die optimistische Überzeugung vermitteln, dass man etwas verändern, einen Wechsel herbeiführen kann, wenn man nur daran glaubt und sich beharrlich dafür einsetzt. Er wurde zu einer Art Kulturgut, jeder kann ihn beanspruchen.

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von Catalin Florescu

Obama gelang nicht ganz, das Angesicht Amerikas zu verändern, aber hier in Schlieren – wenn ich für einmal Äpfel mit Birnen vergleichen darf – wird das Spital Limmattal, liebevoll «Limmi» genannt, mit gutem Grund den Satz für sich beanspruchen können.

Was über eine Dekade durchs Haus geisterte – die Notwendigkeit eines Neubaus, nicht nur eines Faceliftings – und was manche Mitarbeiter gar nicht mehr für möglich hielten, wird wahr: Ein ganzes Krankenhaus zieht mit Sack und Pack um, mit Küche und Töpfen, mit IT und Kabeln, hochsensiblen Geräten und Pflastern, OP-Räumen und Hausapotheke. Keiner bleibt zurück, weder die frisch Operierten noch die Wöchnerinnen werden vergessen. Auch wenn es zu Staus bei den Liften kommen wird, werden alle federleicht durch einen unterirdischen Gang hinübergleiten. Federleicht: Das darf man in Schlieren hoffen, nachdem hier in letzter Zeit Erstaunliches geschehen ist.

Dank einer Privatinitiative wurde im Schlieremer Zentrum eine Rotbuche, die gefällt werden sollte, gerettet und umgepflanzt. Sie wechselte das Domizil. Die Aufmerksamkeit, die man diesem Wesen schenkte – in einer so pragmatischen, kostenbewussten Zeit – berührte mich. Ebenso die Vorsicht, mit der sie gehoben und auf einem Tieflader 150 Meter weiter weg gebracht wurde. Sie hat bis zu 80 Prozent Überlebenschancen. Nahezu 100 Prozent Chancen hat aber das Limmi, obwohl es – ohne fremde Unterstützung – selber für die finanziellen Mittel sorgen musste. Es erfüllt in der Region eine wichtige Funktion, es trägt Menschen – so wie der Tieflader den Baum – in Sicherheit.

"Ein ganzes Krankenhaus zieht mit Sack und Pack um, mit Küche und Töpfen, mit IT und Kabeln, hochsensiblen Geräten und Pflastern."

Ein wenig wurde es auch Opfer des eigenen Erfolgs, denn wäre es zur Hälfte leer gestanden, hätte sich kaum ein solcher Schritt aufgedrängt. Jedoch war der Bau aus den Siebzigerjahren – der, unter uns gesagt, den Charme einer DDR-Plattenbausiedlung verströmt – nicht nur nicht mehr zeitgemäss, sondern er platzte auch noch aus allen Nähten.

Allerdings konnte und wollte das Limmi nicht verschwenderisch sein. Es baute kein Krankenhaus für Erdöl-Scheichs oder für russische Oligarchen, sondern für die realen Verhältnisse und Bedürfnisse der Bevölkerung in der Region. Kein Ferrari, aber ein leistungsstarkes Familienmodell. Sollte jemals die Goldküste am Zürichsee ins Limmattal zügeln, wird man weitersehen müssen. Aber das Risiko ist wohl gering.

Es genügt erstmal, dass die Lecks und die Enge des gealterten Gebäudes durch eine neue Infrastruktur und durch grosszügigere Raumverhältnisse ersetzt werden. Die Umwandlung der bisherigen 6er- und 4er- Zimmer in 2er- und 1er-Zimmer gibt einen Einblick in die veränderten Erwartungen und das veränderte Lebensgefühl innerhalb nur weniger Jahrzehnte.

"Für das Limmi endet bald eine mehr als vier Jahre andauernde intensive und für manche direkt involvierte Mitarbeiter stressreiche Planungszeit."

Im Zeitalter des Individualismus hat man einen erhöhten Bedarf an Wohnraum und ein gesteigertes Bedürfnis nach Privatheit – so paradox das auch ist, da wir ja in der digitalen Welt bereitwillig etliche Informationen über uns preisgeben. Nein, federleicht wird es in der nächsten Transitzeit nicht gehen. Manche Abteilungen werden zusammengefügt, die Pflegeteams wachsen und verändern sich. Bis sich wieder die gewohnte Vertrautheit und Verbundenheit einstellt, wird es dauern. Manche Pflegeteams werden zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen, zum Beispiel neben der Betreuung der Wöchnerinnen auch jene der Orthopädiepatienten.

Die Pflegefachleute werden neu Ansprechpersonen für mehrere Ärzte sein, die gleichzeitig auf Visite sein werden, und für die Patienten. Das ist eine zusätzliche Belastung; Abläufe, die entlasten und trotzdem die sichere Vermittlung von Informationen ermöglichen, müssen sich erst einspielen.

Die Liste kann fortgesetzt werden: Die spitaleigene Apotheke wird nun bestimmte Medikamente unter strengeren Kriterien herstellen und sich in kurzer Zeit viel Know-how aneignen müssen. Die Tagesklinik wird künftig nur noch Patienten betreuen, die operiert werden sollen. Die Infusionen für die ambulanten Patienten werden hingegen von der Onkologie übernommen. Die Radiologie ihrerseits wie auch das Labor erhalten neue Geräte, für deren Bedienung die Mitarbeiter geschult werden müssen. Auch nehmen die Laufwege markant zu, da nun manche Abteilungen die Länge eines Fussballfelds haben.

Die einen Mitarbeiter mögen sich über die Zunahme der Kompetenzen freuen, andere spüren vielleicht ein mulmiges Gefühl und wiederum andere – vielleicht die Mehrheit – wohl beides. Aber genau solche Herausforderungen können auch Ansatzpunkte für Neuerungen und die Überprüfung von liebgewordenen, aber hinfälligen Gewohnheiten sein. Altlasten werden entsorgt, Verfahren optimiert. Jeder Pflegefachmann und jede Pflegefachfrau wird zum Beispiel innerhalb einer bestimmten Zone arbeiten und einen computerisierten Pflegewagen bei sich haben, sodass direkt am Patientenbett eine Vielzahl von Aufgaben erledigt werden kann.

Für das Limmi endet bald eine mehr als vier Jahre andauernde intensive und für manche direkt involvierte Mitarbeiter stressreiche Planungszeit.

"Der Mensch hat ein ambivalentes Verhältnis zu jeder Veränderung. Sie befriedigt seine angeborene Neugierde, seine Neigung, Neues anzupacken und zu gestalten."

Immer wieder wurden die Entwürfe präsentiert, diskutiert, verändert. Wünsche wurden angebracht, die jedoch nicht alle berücksichtigt werden konnten. Der Optimismus überwiegt, man freut sich, aber der Übergang verunsichert auch. Der Mensch hat ein ambivalentes Verhältnis zu jeder Veränderung. Sie befriedigt seine angeborene Neugierde, seine Neigung,
Neues anzupacken und zu gestalten. Sie kann einen ebenfalls fürchten lassen, dass das fragile Gleichgewicht, das einem Stabilität und Sicherheit gibt, kippen könnte.


Aber sogar eine 80-jährige Buche braucht Zeit, um in der neuen Erde Wurzeln zu schlagen. Das Limmi kann trotzdem im Herbst mit Recht verkünden: Change we can.

Zum Autor
Catalin Dorian Florescu, der seit Anfang der Achtzigerjahre in Zürich lebt, ist Schweizer Autor und Psychologe. Seine Kindheit hat er im kommunistischen Rumänien verbracht. Er arbeitete mehrere Jahre in der Suchttherapie und -beratung, seit 2001 ist er freier Autor und hat bisher 6 Romane, unter anderem "Der Mann, der das Glück bringt", 2016, und einen Erzählband, «Der Nabel der Welt», 2017, veröffentlicht. Für seinen Roman "Jacob beschliesst zu lieben" von 2011 erhielt er den Schweizer Buchpreis.

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